Das Haus der Zahlen
In der Guglgasse 13, im 11. Wiener Gemeindebezirk, laufen täglich tausende Zahlen und Daten zusammen. Sie stammen aus privaten Haushalten, Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen und zeigen, wie es sozial, wirtschaftlich und finanziell um Österreich steht. Wie kommt es zu diesem Datenschatz in der Guglgasse? Diese Adresse ist die Heimat der Bundesanstalt Statistik Österreich, besser bekannt als Statistik Austria. Mit dem seit 1. Jänner 2000 wirksamen Bundestatistikgesetz (BStatG) wurde das damalige Österreichische Statistische Zentralamt aus dem Bundesdienst ausgegliedert und ist seitdem eine selbständige und nicht gewinnorientierte Bundesanstalt öffentlichen Rechts. Heute wie damals bildet Statistik Austria das Land in Zahlen ab – nicht zum Selbstzweck, sondern aus dem gesetzlichen Auftrag heraus, Daten über die „wirtschaftlichen, demographischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Gegebenheiten in Österreich“ bereitzustellen. Diese Daten dienen den Bundesorganen zur „Planung, Entscheidungsvorbereitung und Kontrolle von Maßnahmen sowie der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit“, heißt es im BStatG. Der Staat nutzt die Statistiken in großem Umfang, etwa für den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, für Tarifanpassungen, für Fördermaßnahmen, aber auch für die Einschätzung des Bedarfs an sozialen Einrichtungen oder für gesundheitspolitische Entscheidungen. Dabei ist sich die Bundesanstalt ihrer großen Verantwortung bewusst: „Statistik Austria liefert als unabhängige Institution nach höchsten Qualitätsstandards erhobene Daten und Statistiken“, sagt Tobias Thomas, fachstatistischer Generaldirektor. Er leitet Statistik Austria gemeinsam mit der kaufmännischen Generaldirektorin Gabriela Petrovic.
Österreich in Zahlen
Obwohl Österreich ein im internationalen Vergleich kleines Land ist – die statistische Vermessung ist eine große Herausforderung. Dieser haben sich rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Statistik Austria verschrieben. In vier Direktionen – Bevölkerung, Unternehmen, Raumwirtschaft und Volkswirtschaft –, vier Stabsstellen sowie der IT- Abteilung und den Zentralen Diensten wird täglich daran gearbeitet, aktuelle Daten zu erheben und aufzubereiten. Dafür bringt die Belegschaft, die etwas mehr weibliche als männliche Beschäftigte zählt, verschiedene Ausbildungen mit: Neben naheliegenden Studiengängen wie Statistik und Mathematik sind auch Absolventinnen und Absolventen der Soziologie oder Psychologie vertreten. Denn die komplexen Prozesse der Statistikgewinnung erfordern vielfältiges Know-how.
Doch was berechnet Statistik Austria nun genau und woher bezieht sie ihre Daten? Letztere liefern sogenannte Respondenten: Private Haushalte, Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen werden entweder im Rahmen von Erhebungen befragt oder unterliegen einer gesetzlichen Meldepflicht hinsichtlich bestimmter Daten. Weitere wichtige Quellen sind Verwaltungs- und Registerdaten, zum Beispiel das Zentrale Melderegister (ZMR), das auch als Grundlage für Stichprobenziehungen verwendet wird. Ein großer Teil der Statistiken wird periodisch erstellt, woraus sich ständig fortlaufende Produktionszyklen ergeben, in denen Daten erfasst, analysiert, plausibilisiert und in Berichten zusammengefasst werden. Dazu ist eine reibungslose Zusammenarbeit innerhalb der Bundesanstalt erforderlich: Während die Stabsstelle Methodik unter anderem für die Erhebung der Stichproben zuständig ist, werden mit zwei großen Befragungstools Untersuchungen in Haushalten und Unternehmen durchgeführt. Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt in den jeweiligen Direktionen.
Ein Beispiel dafür ist der Mikrozensus: Diese Erhebung stellt wirtschaftliche und soziale Veränderungen der in Österreich wohnhaften Bevölkerung dar und wird vierteljährlich aktualisiert. Dabei wird mittels Zufallsauswahl eine repräsentative Stichprobe von rund 22.500 Haushalten aus dem ZMR erhoben und zu den Themen Erwerbsstatus und Wohnen befragt. Einmal ausgewählt, erfolgt die Befragung eines Haushalts fünf Mal im Abstand von jeweils drei Monaten. Dazu sind 155 Interviewerinnen und Interviewer österreichweit im Einsatz und befragen persönlich, telefonisch und seit 2021 auch webbasiert. Die Fragen des Mikrozensus sind in der Europäischen Union standardisiert. „Was viele nicht wissen: Die Teilnahme an der Mikrozensus-Befragung ist in Österreich – im Gegensatz zu anderen EU-Staaten – verpflichtend“, erzählt Matea Paskvan, Leiterin des Bereichs „Arbeitsmarkt und Bildung“ in der Direktion Bevölkerung. Sie und ihr Team ziehen den Mikrozensus etwa heran, um Statistiken zum Erwerbsstatus in Österreich zu erstellen. Ihre Arbeit beginnt bereits während der Erhebungsphase: „Wir warten nicht bis zum Ende des Quartals, sondern beginnen schon während der Befragungen, die Daten zu plausibilisieren, also nachvollziehbar zu machen“, erzählt Paskvan. Sollte ein Fehler auftauchen, kann dieser rasch bearbeitet werden. Die fortlaufende Überprüfung der Datenqualität ist von zentraler Bedeutung: „Für die nationalen Statistikämter gelten im Europäischen Statistischen System besonders strenge Qualitätsstandards und Verhaltensregeln, zu deren Einhaltung sich auch Österreich verpflichtet hat und die regelmäßig im Rahmen sogenannter Peer-Reviews überprüft werden“, sagt Generaldirektor Thomas.
Einblick in Staatsaugaben
Statistik Austria gibt nicht nur Aufschluss über die Lebens- und Erwerbssituation der Bevölkerung, sondern informiert auch über die wirtschaftliche Lage Österreichs. Dabei spielen die Einnahmen und Ausgaben des Staates eine wichtige Rolle. Wie viel gibt die öffentliche Hand etwa für Bildung oder Gesundheit aus? Dazu wird in der Direktion Volkswirtschaft die sogenannte Gebarungsstatistik erstellt, erzählt Kerstin Gruber. Die Leiterin des Bereichs „Volkswirtschaftliche Sektorkonten und Staat“ liefert mit ihrem 22-köpfigen Team empirische Daten zur Rolle des Staates als Konsument, Produzent und Verteiler. Die Basis für die Einnahmen- und Ausgabenstatistik sind Rechnungsabschlüsse von staatlichen Einheiten, wie Gebietskörperschaften und staatlichen Unternehmen. „Der Datensatz wird in ein IT-System eingespeist, genaue Kodierungen werden nach dem System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen hinzugefügt und so zeigt sich beispielsweise, welche Aufgaben einzelne Ausgaben erfüllen“, beschreibt Gruber den Prozess. Anhand dieser Daten können nicht nur Verwaltungsorgane, sondern auch Bürgerinnen und Bürger selbst die Ausgaben des Staates einsehen, beispielsweise in schwierigen Zeiten wie während der Covid-19-Pandemie. „Wir bieten hier sehr viele Detailinformationen an. Diese sind dabei transparent und auf unserer Website einsehbar“, so Gruber.
Daten gegen Fake News
Die Auswertungen von Statistik Austria dienen damit nicht nur Politik und Verwaltung als Informationsgrundlage, sondern sie stehen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung: „Eine besonders wichtige Nutzergruppe sind die Medien sowie die Bürgerinnen und Bürger, die sich ein Bild der sozialen und wirtschaftlichen Lage machen möchten“, sagt Generaldirektor Thomas. „Mit ihren Zahlen, Daten und Fakten trägt Statistik Austria maßgeblich zur Versachlichung der öffentlichen Debatte bei. Das ist gerade in Zeiten von Fake News und Populismus ganz wichtig.“ Somit wird in der Guglgasse auch weiterhin fleißig gerechnet, plausibilisiert und ausgewertet.
Informationsquelle
Online können diverse Daten und Zahlen zu Österreichs Arbeitsmarkt, Bevölkerung und Wirtschaft nachgeschlagen werden. Die Ergebnisse sind kostenlos zugänglich.
www.statistik.at