15.06.2022 Die Republik

Dienstalter: fortgeschritten

Nahezu die Hälfte aller Bundesbediensteten wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand treten. Wie der Umbruch bewältigt werden soll.

Zukunft. Bereits in den vergangenen Jahren war ein Anstieg der Neupensionierungen vorrangig im Exekutivdienst und beim pädagogischen Personal zu verzeichnen. GÖD-Chef Norbert Schnedl fordert daher eine umfassende Aufnahmeoffensive. © Schlosser, Johanna/picturedesk.com

Die anstehende Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst bereitet den betroffenen Institutionen und Berufsgruppen, der Politik sowie der zuständigen Gewerkschaft Kopfzerbrechen. Denn: An sie ist unter anderem die drohende Personalknappheit gekoppelt. Wie kann dieser Problematik entgegengewirkt werden? Welche Optimierungsprozesse wurden dafür bereits eingeleitet? Und was braucht es, um die Lücken im System so rasch wie möglich zu füllen? Beim Bund geht man davon aus, dass bis 2032 rund 48 Prozent des bestehenden Personals aufgrund von Pensionierungen aus dem aktiven Dienst ausscheiden werden. Schon in den vergangenen Jahren war ein stärkerer Anstieg bei den Neupensionierungen zu verzeichnen. Besonders deutlich wurde dies im Exekutivdienst und beim pädagogischen Personal. Norbert Schnedl, Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), mahnt: „Die Pensionierungswelle rollt ungebrochen auf den öffentlichen Dienst zu.“ Die Folge: Besonders viele vakante Positionen müssen gleichzeitig nachbesetzt werden. Dies erfordert jedoch, dass genügend Arbeitskräfte als potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger vorhanden sind. Andernfalls ist mit Personalknappheit in allen Bereichen zu rechnen. Ein Blick auf die Gesamtaltersstruktur der Bundesbediensteten zeigt nur wenig Raum für Erholung. So sind derzeit 44,8 Prozent der Bundesbediensteten über 50 Jahre alt. Der Peak der Pensionsantritte wurde jedoch bereits 2019 erreicht. Das heißt, in den kommenden Jahren ist zwar mit weiteren Austritten zu rechnen, diese nehmen aber sukzessive ab. Dennoch besteht die Gefahr, dass viel Wissen verloren geht und dadurch die Qualität des öffentlichen Dienstes insgesamt sinken könnte.

„Wenn wir für attraktive Arbeitsbedingungen sorgen, werden wir in einer Phase des demografischen Wandels auch genügend hoch qualifizierte junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen können.“

Norbert Schnedl, GÖD-Vorsitzender

Enormer Engpass

Auch GÖD-Vorsitzender Norbert Schnedl weist darauf hin, dass durch die große Zahl der Pensionierungen ohne eine entsprechende Aufnahmeoffensive ein enormer Personalengpass entstehen wird. Daher fordert der Gewerkschafter eine umfassende Aufnahmeoffensive, um einen möglichst lückenlosen Wissenstransfer sicherstellen zu können – in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Das bedeutet laut Schnedl eine offensive Präsentation der öffentlichen Verwaltung als attraktiven Arbeitgeber. Beispiele dafür könnten die Nutzung von Jobportalen, Online-Plattformen oder Messebesuche sein. Gleichzeitig sieht er es auch als Aufgabe des öffentlichen Dienstes, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten: „Der öffentliche Dienst leistet einen wesentlichen Beitrag
für die hohe Lebensqualität in Österreich, und wenn wir für attraktive Arbeitsbedingungen sorgen, werden wir in einer Phase des demografischen Wandels auch genügend hoch qualifizierte junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen können“, sagt Schnedl.

Personalbedarf. Seinen Höhepunkt erreichte der Lehrerinnen- und Lehrermangel im Jahr 2019. © Wolfraum, Heiko/dpa/picturedesk.com

Keine Einsparungen

Christian Kemperle, Leiter der Sektion Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKOES), verweist im Gespräch jedoch auf eine umfassendere Betrachtung: „Ja, es droht Personalknappheit“, sagt er. „Die Pensionierungswelle ist dafür aber nicht der alleinige Grund.“ Dass es wegen der Pensionsabgänge zu einem Personalmangel kommen werde, sei ein bereits länger bekanntes Problem. Daher seien auch diverse Stellenpläne bis zum Jahr 2025 fixiert worden, die sowohl freie als auch besetzte Stellen abbilden würden. reichen zu, so der Sektionsleiter. Die einzelnen Dienststellen seien demnach bereits darüber informiert, was sie zukünftig erwarte. Erforderlich sei jetzt „eine selbständige Ausarbeitung neuer Konzepte für die Nachbesetzungen“. Einsparungsvorgaben gebe es dafür nicht, so Kemperle.Diese ließen konkrete Rückschlüsse auf den Personalbedarf in den jeweiligen Bereichen zu, so der Sektionsleiter. Die einzelnen Dienststellen seien demnach bereits darüber informiert, was sie zukünftig erwarte. Erforderlich sei jetzt „eine selbständige Ausarbeitung neuer Konzepte für die Nachbesetzungen“. Einsparungsvorgaben gebe es dafür nicht, so Kemperle.

„Die Zustimmung des BMKOES muss vor einer Ausschreibung nicht mehr eingeholt werden. Die Abläufe wurden dadurch beschleunigt und Bewerbungen können deutlich rascher bearbeitet werden.“

Christian Kemperle, Leiter Sektion Öffentlicher Dienst im BMKOES

BVAEB. Die Pensionsversicherungsanstalt öffentlich Bediensteter sichert Beamtinnen und Beamte finanziell ab. Sie sind nicht pensionsversichert, sondern erhalten einen Ruhegenuss. © BVAEB

Arbeitsmarkt im Wandel

Der Sektionsleiter sieht das eigentliche Problem vielmehr im sich verändernden Arbeitsmarkt, der die Lage für den öffentlichen Dienst schwierig macht. Die Beschäftigung in der Privatwirtschaft steigt, die allgemeine Beschäftigungsquote sinkt. Außerdem ist der Einstieg in den öffentlichen Dienst wesentlich komplizierter und langwieriger als in der Privatwirtschaft. Das Ministerium setzt daher „viele kleine Schritte“, um diese Prozesse zu beschleunigen. So muss beispielsweise bei einer Ausschreibung nicht mehr vorab die Zustimmung beim BMKOES eingeholt werden. Personalstellen können eingehende Bewerbungsanfragen dadurch schneller aufnehmen und bearbeiten. Auch das Ausschreibungsrecht wurde geändert, was Erleichterungen bei der Personalsuche schafft: Anstatt der vorherigen Zweistufigkeit (erst interne, dann externe Suche) kann selbständig entschieden werden, wann und aus welchem Markt man Personal rekrutiert. Derzeit ist das BMKOES auch dabei, den Rekrutierung- und Aufnahmeprozess zu verbessern und zu digitalisieren. Hierfür ist der Einsatz von eigenen digitalen Plattformen sowie von Social-Media-Kanälen vorgesehen. Das Onboarding dazu sei „so gut wie fertig“, berichtet Kemperle. Die Testphasen laufen, die fixe Umsetzung soll spätestens im Herbst 2022 erfolgen.

„Die Pensionierungswelle rollt ungebrochen auf den öffentlichen Dienst zu.“

Norbert Schnedl, GÖD-Vorsitzender

Anreizsysteme

Was sind aber nun attraktive Arbeitsbedingungen? In welchen Bereichen muss ein Umdenken stattfinden? Der GÖDVorsitzende Norbert Schnedl nennt dabei neben der Höhe der Anfangsbezüge sowie der Karrieremöglichkeiten insbesondere auch dienstrechtliche Rahmenbedingungen, die eine vernünftige Work-Life-Balance und die optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Dazu zählt er etwa eine vorteilhaftere Anrechnung von Kindererziehungszeiten, eine Verbesserung bei der Pflegefreistellung sowie eine Valorisierung aller Familienleistungen. Gleichzeitig bedürfe es Anreizen für die Übernahme von Familienarbeit durch Männer. Daneben würden aber auch die Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes sowie ein Ausbau der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz benötigt, so Schnedl. Außerdem ist es laut dem Gewerkschafter wichtig, alternsgerechte Arbeitsplätze und flexible Arbeitszeitmodelle für ältere Bedienstete zu schaffen, um der demografischen Entwicklung in Österreich Rechnung zu tragen. „In puncto Arbeitszeit sind wir sehr flexibel, allein schon aus der Tatsache heraus, dass im öffentlichen Dienst ein tägliches Arbeitspensum von 13 Stunden möglich ist“, betont Christian Kemperle. Das erlaube Variationen von Teilzeit- und Gleitzeitmodellen sowie flexible Abmachungen. Auch Telearbeit sei „heutzutage, insbesondere nach der Corona-Pandemie, kein Problem mehr“, so der Sektionsleiter.

Exekutive. Auch die Polizei wurde bereits von der Pensionierungswelle eingeholt. Um eine Nachbesetzung der vakanten Positionen zu erreichen, sollen neue Konzepte ausgearbeitet werden. © Hochmuth, Georg/APA/picturedesk.com

Mobilität und Offenheit

Woran aber noch mehr gearbeitet werden muss, sind laut Kemperle die Themen Personalentwicklung und interner Austausch. Die Generation, die heute in den Beruf einsteigt, hat andere Erwartungen an den Arbeitsmarkt: Oft ist seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Wechsel schon nach circa fünf Jahren erwünscht. Man möchte sich weiterentwickeln, neue Bereiche erkunden. Mobilität und Offenheit für diverse Bereiche sei durch dieses Verhalten erkennbar; dies gelte es in weiterer Folge „für uns zu nutzen“, meint der Sektionsleiter. Ein Projekt, das den Austausch innerhalb des Bundesdienstes fördern soll, wurde bereits gestartet. Das Ziel: Weg vom beschränkten Ressortdenken, hin zur umfangreichen Gesamtpräsentation des Bundesdienstes. Vorhandene Personalressourcen sollen durch interne Weiterbildungsprogramme besser genutzt, ein Wechsel in andere Berufsgruppen des Bundesdienstes ermöglicht werden. Das solle einerseits den Erhalt der Bediensteten im System sowie eine raschere Nachbesetzung sichern; zum anderen wolle man damit den Ansprüchen der zukünftigen Generation gerecht werden, so Kemperle.

Pensionsantritt berechnen

Website des BMKOES können Interessierte den möglichen Zeitpunkt für den Eintritt in den Ruhestand berechnen lassen. Dort gibt es auch weiterführende Informationen zum Thema.

www.oeffentlicherdienst.gv.at