Eva Wildfellner: „Loyalität dem Amt, dem Staat und seinen Aufgaben gegenüber“
Interview: Cornelia Ritzer
Fotos: Franziska Liehl
Seit Jahresanfang sind Sie Kabinettsdirektorin. Wie unterscheidet sich die Arbeit in Ministerien von jener in der Präsidentschaftskanzlei? Gibt es vielleicht etwas, das Sie dazulernen mussten – Stichwort: Zeremoniell?
Wie bei jeder neuen Aufgabe muss man sich erst in die jeweiligen Abläufe einleben und einarbeiten. Das Ansehen und die bestmögliche Vertretung Österreichs in der Welt steht in unserem primären Fokus. In
der Präsidentschaftskanzlei muss man auf gewisse Abläufe und Prozesse achtgeben, die in meinen früheren Funktionen im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport in der Form vielleicht nicht oft gebraucht wurden.
Für mich ist die Arbeit trotzdem dieselbe. Es geht um bürgernahe, moderne Verwaltung und Serviceorientierung nach innen und nach außen, sowie die Unterstützung des Bundespräsidenten. Das ist meine Aufgabe als Kabinettsdirektoren und das steht für mich im Vordergrund. Aber natürlich sind Staatsbesuche etwas, das in einem Ministerium in dieser Form nicht vorkommt. Der Bundespräsident steht im Protokoll der Republik an erster Stelle.
Als Kabinettsdirektorin sind Sie ihm unmittelbar unterstellt. Hat das Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit?
Auch als Generalsekretärin im BMKÖS war ich dem Bundesminister direkt unterstellt. In dieser Funktion war ich unter anderem für die Gesamtabstimmung und Koordination der unterschiedlichen Sektionen zuständig. Die unmittelbare Unterstützung und Beratung der politischen Spitze bei der Umsetzung ihrer Vorhaben ist mir daher bereits vertraut. Es ist eine Schnittstellenfunktion – auch in die Organisation
hinein, zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Aufgaben in der Präsidentschaftskanzlei
sind vielfältig. Der Bundespräsident ist oberster Repräsentant und „Hüter“ unserer Republik. Deshalb
sind wir auch mit Fragen aus den unterschiedlichsten Rechts- und Themengebieten konfrontiert.
Sie werden als „erfahrene Verhandlerin von schwierigen Materien mit einer exzellenten Fähigkeit zur Zusammenarbeit“ beschrieben. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat als Arbeitsschwerpunkte seiner zweiten Amtszeit die Themen Klimakrise und Stärkung des Vertrauens in die Demokratie genannt. Was können Sie, in Ihrer Schlüsselfunktion, bei diesen Materien bewegen?
Ich sehe es als meine Aufgabe beziehungsweise als Aufgabe der Verwaltung, die politischen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger bestmöglich zu unterstützen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei ist mir die Einbindung von Expertinnen und Experten wichtig. Wir sollten uns auch die Zeit nehmen, deren Vorschläge breit zu diskutieren und mit den Verantwortungsträgerinnen und -trägern in der Politik rückzukoppeln.
Die Verwaltung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, einerseits mit ihrer Expertise, andererseits als „Brücke“ zu Stakeholdern, Expertinnen und Experten und der Zivilgesellschaft. Hier kann ich mich einbringen und das sehe ich auch als eine meiner Aufgaben. Und die Vorbildfunktion, etwas nicht nur zu sagen, sondern auch umzusetzen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Nehmen wir den Bereich Klimaschutz: Der Bundespräsident nutzt auf seinen Reisen problemlos öffentliche Verkehrsmittel, wann immer es geht.
Als Beamtin haben Sie sich in den Büros mehrerer Ministerinnen und Minister parteiübergreifend einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Welche Kompetenzen sind in der Verwaltung von Bedeutung? Und was raten Sie jenen, die eine Karriere im öffentlichen Dienst anstreben?
Für mich ist die Loyalität dem Amt, dem Staat und seinen Aufgaben gegenüber maßgeblich. Ebenso Lösungskompetenz und Serviceorientierung. So habe ich meine Tätigkeit in den vergangenen Jahren angelegt und versucht, möglichst sachorientiert vorzugehen. Verwaltung soll ja kein Selbstzweck sein,
unser Anspruch ist, für die Menschen in Österreich da zu sein.
Das bedeutet aber auch Investition in die Verwaltung selbst: vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der Digitalisierung, einer sich verändernden Arbeitswelt die Dienststellen dabei zu unterstützen, erforderliche Veränderungsprozesse einzuleiten. Eine flexible, effiziente und digitale Verwaltung ist eine zentrale Voraussetzung für die Bewältigung der Herausforderungen der kommenden Jahre.
des Bundespräsidenten.“
Haben Sie das Gefühl, dieses Bild von der serviceorientierten Verwaltung kommt in der Öffentlichkeit auch so an? Oder überwiegt doch das einer parteipolitisch geprägten Beamtenschaft, etwa wenn es wieder Schlagzeilen über politisch motivierte Postenbesetzungen gibt?
Ich hoffe, dass dieses Bild auch ankommt. Gerade die Pandemie und die Krise der letzten Jahre haben gezeigt, dass unsere Verwaltung gut funktioniert und dass wir in weiten Teilen sehr krisenfest sind. Nehmen Sie zum Beispiel Services wie die Finanzverwaltung. Die waren durchgehend aufrecht, weil wir bereits viel digitalisiert haben. Das ist etwas, worauf sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen können. Es ist notwendig, diese Services weiter auszubauen.
Wie erleben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst solche Diskussionen, dass Posten nicht nach Qualifikation besetzt werden, und wie reagiert man darauf?
Natürlich macht einen das betroffen, der Eindruck, das wäre gängige Praxis, ist aber falsch. Es geht doch darum, dass die jeweils bestqualifizierte Person den Job bekommt. Gerade im BMKÖS unter Vizekanzler
und Bundesminister Werner Kogler wurden zuletzt auch gesetzliche Änderungen im Ausschreibungsgesetz vorgenommen und einiges getan. Und es ist notwendig, diesen Weg weiterzugehen.
Es geht um transparente und nachvollziehbare Prozesse: öffentliche Ausschreibungen, Hearings und unabhängige Auswahlkommissionen, sodass eine allfällige Einflussnahme weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Beispielsweise indem man die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Kommission extern besetzt oder man abgeht von „Ad-hoc“ Kommissionen. Dies gilt umso mehr bei der Besetzung von Spitzenpositionen.
Sie sind die zweite Frau, die die Präsidentschaftskanzlei leitet. Seit Sie 2007 in den Bundesdienst eintraten, gab es mit Brigitte Bierlein auch eine Bundeskanzlerin einer Expertenregierung. Wen haben Sie als Wegbereiter oder Wegbereiterin für andere Frauen in Spitzenpositionen erlebt?
In meiner Karriere hatte ich das Glück, dass ich mit vielen Männern wie auch Frauen zusammengearbeitet habe, die Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn gefördert haben. Ich wurde Kabinettschefin der damaligen Frauen- und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. Für mich persönlich war sie eine Wegbereiterin. Sie war eine unerschrockene Frau und Politikerin, hat sich kein Blatt vor den Mund genommen, das hat mich beeindruckt.
Oder Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: In den Unternehmen, an denen das Klimaschutzministerium beteiligt ist, ist der Frauenanteil seit Amtsantritt von Ministerin Gewessler
bereits von 37 auf rund 50 Prozent gestiegen. Sie zeigt vor, dass es geht und dass es viele kompetente und hoch qualifizierte Frauen gibt.
Soll dieser Wandel Richtung mehr Frauen in Leitungsfunktionen überhaupt noch thematisiert werden – oder sollte er eigentlich bereits alltäglich sein?
Das muss weiterhin thematisiert und vorangetrieben werden. Denn wie man sieht, ist es notwendig und da ist noch Luft nach oben. Im Bundesdienst arbeiten derzeit knapp über 43 Prozent Frauen, in Spitzenfunktionen – ich rede von Sektionsleitungsposten – waren es laut Bericht über das Personal des Bundes 2022 (die Zahlen beziehen sich auf Stand Dezember 2021, Anm.) knapp 33 Prozent. Da besteht auf jeden Fall noch Aufholbedarf.
Es gibt bereits zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung im öffentlichen Dienst. Zum
Beispiel das gesetzlich verpflichtende Frauenförderungsgebot, die Offenlegung von Ausschreibungen oder die Erstellung von Einkommensberichten. Im öffentlichen Dienst ist der GenderPay Gap wegen der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit mit knapp über acht Prozent besser im Vergleich zur Privatwirtschaft. Doch wir dürfen nicht lockerlassen.
Die Notwendigkeit, ein attraktiver Arbeitgeber für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sein, gilt als eine große Herausforderung für viele Branchen, aber auch für den öffentlichen Sektor. Was hat Sie dazu motiviert, nach dem Jusstudium in einem Ministerium zu arbeiten?
Für mich ist die Arbeit im öffentlichen Dienst eine extrem schöne Aufgabe. Es ist ein Job, wo man mitgestalten kann und serviceorientiertes Arbeiten für die Menschen gefragt ist. Es geht um Fragen, die das Wohl der Bevölkerung, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft betreffen, das gemeinsame Bewältigen von Herausforderungen, und darum, Antworten anzubieten. Ich empfinde das als sehr sinnstiftend. Das war auch mein Antrieb, nach dem Studium in den Bundesdienst zu gehen. Und ich habe das nie bereut. Die Möglichkeit der Mitgestaltung gibt es überall – egal, in welchem Ministerium. Dazu kann ich nur jede und jeden ermutigen.
Und wie kann man junge Menschen dazu motivieren, im Staatsdienst zu arbeiten?
Früher war die Jobsicherheit eine Motivation. Ich erlebe bei jungen Menschen jedoch, dass das mittlerweile keine große Rolle mehr spielt. Heute ist Flexibilität gewünscht. Doch auch der öffentliche Dienst ist um einiges flexibler geworden seit der Zeit, als ich begonnen habe. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, vermehrt im Homeoffice zu arbeiten, oder der problemlose und individuelle Anspruch auf Karenz für beide Elternteile. Ich glaube, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele junge Menschen ein Thema ist. Und diese ist im öffentlichen Dienst für Frauen und Männer gleichermaßen möglich. Auch die Flexibilität innerhalb des Bundesdienstes ist vermehrt gegeben und wird zunehmend wahrgenommen. Man hat so die Möglichkeit, auch andere Tätigkeitsfelder in unterschiedlichen Ministerien kennenzulernen und in andere Bereiche zu wechseln.
Einblicke in die Hofburg.
Wie sieht der Arbeitsalltag des Bundespräsidenten aus? Und was zählt zu seinen Aufgaben? Antworten darauf und Infos zur Arbeit der Präsidentschaftskanzlei finden sich auf der Website des Staatsoberhaupts.
www.bundespraesident.at