15.12.2022 Die Republik

Expertise im Hintergrund

Das Bundesrechenzentrum feiert die ersten 25 Jahre seines Bestehens. Der IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung hat schon vieles umgesetzt, doch Projekte und Services wie FinanzOnline, der Digitale Führerschein oder das „digitale Amt“ oesterreich.gv.at sind nur der Beginn des Weges zum automatisierten Amtsverkehr.

Text: Andrea Sturm

 

Mit der laufenden technischen Veränderung haben sich auch die Aufgaben des Bundesrechenzentrums (BRZ) stark gewandelt, erzählt Roland Ledinger, technischer Geschäftsführer, zuständig für Kundenmanagement, Betrieb und Entwicklung: „Mit der Ausgliederung aus dem Ministerium und dem Wandel zur GmbH hat sich auch der Fokus geändert: Ursprünglich ging es um Rechenzentrumsleistung, mittlerweile sind wir Full Service Provider für die öffentliche Verwaltung des Bundes. In diesem Bereich können wir Lösungen effizient und zielgerichtet umsetzen, weil wir die Anforderungen sehr gut kennen.“

Digitale Geschichte

Das Bundesrechenzentrum wurde 1997 gegründet, doch die digitale Geschichte Österreichs beginnt schon Jahrzehnte zuvor. Bereits Anfang der 1970er Jahre wurde das Bundesrechenamt eingerichtet, das vor allem auf die Aufgaben der Bundeshaushaltsführung konzentriert war. Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung und den Möglichkeiten, die sich auch für Verwaltung und öffentliches Leben daraus ergaben, wurden die Aufgaben komplexer. Die von der Bundesregierung definierten Ziele in Bezug auf die Interaktion mit der Bevölkerung, die betriebswirtschaftliche Ausrichtung der IT und eine technische Standardisierung führten schließlich zur Gründung der Bundesrechenzentrum GmbH, die zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich steht.

„Das Recruiting hat sich auch bei uns sehr stark verändert. Derzeit sind wir es, die sich bei den Kandidatinnen und Kandidaten bewerben.“

Christine Sumper-Billinger, Kaufmännische Geschäftsführerin

Das Bundesrechenzentrum mit Sitz in Wien treibt die Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Österreich voran.
Fotos: BRZ/Alek Kawka, Ian Ehm/Verlagsgruppe News/picturedesk.com

Eine Basisfinanzierung durch die Regierung erhält die Einrichtung nicht. „Das BRZ ist ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen und verrechnet marktkonforme Preise“, erklärt Christine Sumper-Billinger, die als kaufmännische Geschäftsführerin für die Bereiche Finance & Legal sowie HR zuständig ist. Das Unternehmen ist nicht gewinnorientiert: „Wir agieren auf Basis des Kostendeckungsprinzips. Überschüsse werden einerseits als Gutschriften an die Auftraggeber zurückgegeben, andererseits den Rücklagen des Unternehmens zur Finanzierung digitaler Innovationen für die Verwaltung zugeführt.“

Personal als Asset

Derzeit sind es um die 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im BRZ Kundenprojekte umsetzen und Innovationen ertüfteln, 100 offene Stellen warten auf geeignete Bewerberinnen und Bewerber. „Das Recruiting hat sich auch bei uns sehr stark verändert. Derzeit sind wir es, die sich bei den Kandidatinnen und Kandidaten bewerben“, erzählt Christine Sumper-Billinger. Bei der Suche nach Personal spielen soziale Medien eine wichtige Rolle. Die Präsenz des BRZ auf Facebook, LinkedIn, YouTube, Twitter und Instagram ist darauf ausgerichtet, Interesse an den vielfältigen Karrierechancen zu wecken.

Denn die Zufriedenheit mit den Aufgaben ist neben angemessener Bezahlung und der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, mittlerweile eine wesentliche Anforderung beim Recruiting. „Wir haben das Glück, dass unsere Projekte als sinnstiftend wahrgenommen werden“, sagt Christine Sumper-Billinger, „bei uns gestaltet man die IT eines Landes und erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern den Umgang mit der Verwaltung, das ist ein Beitrag zum Gemeinwohl.“ Die Aktivitäten wurden bereits mehrfach mit dem Best Recruiters Award ausgezeichnet, aber auch auf diesem Gebiet gilt es, sich stetig weiterzuentwickeln. „Wir waren heuer erstmals auf einer Gaming-Messe, und seit kurzem ist das BRZ auch auf TikTok vertreten“, verrät die Geschäftsführerin.

Zudem bietet das BRZ auch Aus- und Weiterbildung an, um das Potenzial seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, und achtet darauf, persönliche Stärken zu unterstützen. An Projekten arbeiten im BRZ eingespielte Teams, von der Ideenfindung und Konzeption über die konkrete Umsetzung und Abwicklung bis hin zum Monitoring des laufenden Betriebs. Die Verteilung der Aufgaben hängt nicht zuletzt von deren Umfang ab, erklärt Roland Ledinger: „Es gibt Projekte, die innerhalb eines Teams abgewickelt werden. Andere werden von fünf bis sechs Teams gleichzeitig bearbeitet.“

„Wir arbeiten daran, Verwaltungsaufgaben im Hintergrund zu erledigen, ohne dass sich die Menschen aktiv darum kümmern müssen.“

Roland Ledinger, Technischer Geschäftsführer

„Auch die Verwaltung wird sich in Zukunft stärker mit Automatisierung auseinandersetzen müssen“, ist Roland Ledinger überzeugt. Augmented Reality, Robotics und künstliche Intelligenz helfen schon jetzt beispielsweise dabei, Fotos oder Akten zu anonymisieren. Gemeinsam mit seinem Auftraggeber, dem Bundesministerium für Justiz, wurde das BRZ kürzlich mit dem eAward 2022 in der Kategorie „Machine Learning und künstliche Intelligenz“ ausgezeichnet.

Die automatisierte Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen, vor deren Veröffentlichung die Namen von Beschuldigten geschwärzt werden müssen, Richterinnen und Richter sowie Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter aber lesbar bleiben sollen, hatte die Jury überzeugt. Die Arbeit in vernetzten Teams ermöglicht auch die Entwicklung von Lösungen, die projektübergreifend eingesetzt werden können, etwa eigene Verfahren zur Identitätsbestätigung in einer Videokonferenz.

Europäisch denken

Während die technischen Möglichkeiten seit der flächendeckenden Verbreitung des Internets nahezu grenzenlos sind, gibt es vor allem in der öffentlichen Verwaltung auch juristische Hintergründe zu beachten. „Eine eventuelle internationale Datenvernetzung hängt von den rechtlichen Möglichkeiten ab, aber wir sind über EURITAS in ständigem Wissensaustausch mit anderen öffentlichen IT-Dienstleistern in Europa“, erzählt Roland Ledinger. „Ein Schwerpunkt ist derzeit, die Cloudtechnologie so zu etablieren, dass wir innereuropäisch Lösungen austauschen können.“

Dafür müssen Standards implementiert werden, um etwa Rechenleistung von anderen Zentren zu übernehmen. Der österreichische Digitale Führerschein basiert etwa auf einem ISO-Standard, um den internationalen Datenaustausch über Schnittstellen zu ermöglichen, wenn der gesetzliche Rahmen geklärt ist. „Diese Lösung läuft bereits auf einer cloudfähigen Plattform im BRZ, andere Mitgliedstaaten könnten sie sofort übernehmen“, so Ledinger.

Roland Ledinger und Christine Sumper-Billinger bilden die Geschäftsführung des BRZ.
Foto: Klaus Vyhnalek

Strategien und Zukunftspläne sind in einem schnelllebigen Bereich wie der Digitalisierung essenziell – und gleich-zeitig besonders schwierig. Die Ausrichtung des BRZ ist in jedem Fall, die Kommunikation zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Bevölkerung zu verbessern, ohne dabei selbst im Vordergrund zu stehen. „Unser Ansatz ist, die Bürgerin und den Bürger mit administrativen Angelegenheiten so wenig wie möglich zu belasten“, betont Roland Ledinger. „Der Mensch steht im Mittelpunkt. Anders als andere Marktteilnehmer wollen wir nicht mehr Frequenz für unsere Services generieren, sondern im Gegenteil: Notwendige Administration soll so ablaufen, dass man es gar nicht merkt.“

So, wie beim Abschluss einer Autoversicherung die Anmeldung des Kfz automatisch erfolgt, lassen sich auch in vielen öffentlichen Bereichen vergleichbare Automatismen denken: etwa bei der Ummeldung des Wohnsitzes nach Abschluss eines Mietvertrags oder bei der Anmeldung am Standesamt nach einer Geburt, ohne dass der Prozess persönlich initiiert werden muss. „Wir arbeiten daran, Verwaltungsaufgaben zunehmend im Hintergrund zu erledigen, ohne dass sich die Menschen aktiv darum kümmern müssen“, fasst Roland Ledinger zusammen.

Moderne Methoden.

Das Bundesrechenzentrum beschäftigt sich laufend mit Innovationen auf dem IT-Markt. Als zentrale Stelle für neue Wege der Ideenfindung betreibt das BRZ eine bereichsübergreifende Innovation Factory. „Thinking outside the box“ ist dort ausdrücklich erwünscht.

www.brz.gv.at