15.04.2022 Die Republik

Naturschutz von Ara bis Zikade

Das internationale Artenschutzabkommen CITES regelt den Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten sowie deren Produkten. Ein komplexes internationales Netzwerk sorgt für die Einhaltung der Vorgaben und damit für den Erhalt gefährdeter Arten.

Wer beim Thema Artenschutz an Elfenbein, Tigerfelle und Krokodilleder denkt, hat die Spitze des Eisbergs noch kaum angekratzt, denn insgesamt sind über 38.000 Arten von CITES erfasst. Etwa 6.000 davon sind Tiere, der Rest Pflanzen. Zudem gilt das Abkommen auch für verarbeitete Waren, wie beispielsweise Musikinstrumente mit Elementen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, Schmuck, Bestandteile von Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetika. Drei Stufen des internationalen Abkommens regeln, unter welchen Bedingungen eine geschützte Art Staatsgrenzen überqueren beziehungsweise gehandelt werden darf.

Geschulte Augen. Im Jahr 2021 wurden 2.600 geschützte Tiere und Pflanzen von Österreichs Zollbeamten beschlagnahmt. © BMF/Wenzel

Nachhaltige Expansion

CITES („Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora“, also „Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen“) wurde 1973 in Washington ins Leben gerufen und zählte damals fünf Unterzeichner: USA, Nigeria, die Schweiz, Tunesien und Schweden. Mittlerweile haben 184 Länder die Konvention unterzeichnet, Andorra als jüngstes Mitglied im November 2021. Österreich ist seit 1982 dabei.

„Es gibt Routen, die man besonders im Blick behalten muss, etwa Direktflüge aus Gebieten, wo geschützte Arten vorkommen.“

Gerhard Marosi, Mitarbeiter im Finanzministerium

„Es ist ein komplexes Thema, das sich auch laufend weiterentwickelt“, erzählt Martin Rose, der im Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt für die nationale und internationale Koordination von CITES zuständig ist: „In Österreich arbeiten Umweltministerium, Zollbehörden und das Bundeskriminalamt zusammen, dazu kommen Experten aus den Bundesländern und wissenschaftliche Berater. Auf europäischer Ebene gibt es ebenfalls Ausschüsse, die sich mit dem Artenschutz beschäftigen, denn in der EU werden die Bestimmungen noch strenger gehandhabt als von CITES vorgegeben. International findet alle drei Jahre die CITES-Vertragsstaatenkonferenz statt. Dort geht es vor allem um Änderungen und Neuaufnahmen in die Anhänge.”

Illegalen Importen auf der Spur

Die österreichischen Zollbeamten sind in Sachen Artenschutz gut geschult. 2021 wurden insgesamt 2.600 Tiere und Pflanzen beschlagnahmt, die unter dem strengen Schutz des CITES-Abkommens stehen. Gerhard Marosi vom Bundesministerium für Finanzen kennt die Wege und Tricks der Schmuggler: „Es gibt bestimmte Routen, die man besonders im Blick behalten muss, etwa Direktflüge aus Gebieten, wo geschützte Arten vorkommen. Wir konzentrieren uns natürlich besonders auf gewerbsmäßige Schmuggler.“ Anders als bei Ermittlungen zu Sachwerten wie Leder, Elfenbein oder Tropenholz ist bei der versuchten Einfuhr von lebenden Tieren Eile geboten. Die Schmuggler nehmen dabei keinerlei Rücksicht auf das Tierwohl oder veterinärmedizinische Vorgaben.

Tupperdose. Da Schmuggler keine Rücksicht auf das Tierwohl oder veterinärmedizinische Vorgaben nehmen, ist bei der Einfuhr von lebenden Tieren Eile geboten. © BMF/Zoll

„Immer wieder finden wir Tiere, die in großer Zahl in Koffern über die Grenze gebracht werden, wie Schlangen, die in Socken transportiert werden“, erzählt Marosi, „besonders brisant war ein Fall, bei dem sich in einem Koffer zahlreiche Papageien in Klopapierrollen befanden. Ein Teil der Vögel war bereits tot, bei den restlichen wurde durch den Veterinär die Vogelgrippe festgestellt.“ Werden Lebendtiere gefunden, ist immer zuerst eine tierärztliche Untersuchung nötig, um zu verhindern, dass Krankheiten eingeschleppt werden. Danach werden die Tiere in Zoos oder Zuchtanlagen gebracht, die mit den Behörden zusammenarbeiten. Das kann manchmal sehr aufwendig sein – so musste etwa der Tiergarten Schönbrunn eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abstellen, als am Flughafen Wien eine große Zahl Vogeleier beschlagnahmt wurde, die dem Tiergarten übergeben und dort unter Quarantänebedingungen ausgebrütet wurden.

„Je nach Region und deren Besonderheiten bilden sich unterschiedliche Schwerpunkte heraus.“

Martin Rose, CITES-Koordinator im BMK

Auch bei Produkten setzt der Zoll auf die Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten. Eine Anlaufstelle dafür ist etwa das Naturhistorische Museum in Wien. „Die wissenschaftlichen Mitarbeiter überprüfen im Bedarfsfall für uns Exponate. Beschlagnahmte Ware wird aber auch für wissenschaftliche Arbeit und für Ausstellungszwecke an das Museum übergeben“, erklärt Gerhard Marosi. Die Sachverhalte sind mitunter kompliziert. So sorgte 2014 ein Fall in Kärnten für Aufsehen, als ein Schweizer Händler bei einem Harley-Davidson-Treffen 831 Stück verschiedene Lederwaren an seinem Stand zum Verkauf angeboten hatte. Eine Einfuhrgenehmigung gab es nicht für alle Exponate, zudem wurden Waren verkauft, die als Ausstellungsstücke deklariert waren. „In so einem Fall muss jedes einzelne Stück auf seine Legalität überprüft werden“, so Marosi, „das braucht nicht nur Zeit, sondern eben auch viel Expertise.“

Schwerpunkt-Länder. In ganz Europa und damit auch in Österreich ist die Nachfrage nach exotischen Haustieren besonders hoch. © BMF/Zoll

Weltweite Kontrollen

Seit 2017 findet regelmäßig die „Operation Thunder“ statt, bei der Interpol und die Weltzollorganisation in Zusammenarbeit mit dem CITES-Komitee einen Monat lang weltweite Schwerpunktkontrollen zu Verstößen gegen das Artenschutzabkommen durchführen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Geschäft mit bedrohten Arten trotz aller Bemühungen noch immer blüht. Im vergangenen Oktober wurden im Rahmen von „Thunder 2021“ fast eine Tonne Elfenbein und Elfenbeinprodukte, 75 Tonnen geschützte Tropenhölzer und 29 Großkatzen beschlagnahmt, dazu kamen zahlreiche Vögel, Schildkröten und weitere Reptilien. „Je nach Region und deren Besonderheiten bilden sich unterschiedliche Schwerpunkte heraus. In Italien und Frankreich sind wegen der Modeindustrie Lederprodukte besonders wichtig, in der Schweiz sind es Rohstoffe für Nahrungsergänzungsmittel. In ganz Europa und damit auch in Österreich ist die Nachfrage nach exotischen Haustieren besonders hoch“, erklärt Martin Rose, „das können etwa Vögel oder Reptilien sein.“

„Es werden immer mehr Arten gelistet, weil die Situation für viele Arten weltweit schlimmer wird. “

Martin Rose, CITES-Koordinator im BMK

Abhängig von der Schutzklasse des Tieres ist eine Einfuhr für private Zwecke entweder generell verboten oder nur mit besonderer Genehmigung möglich. Die Anträge werden im Umweltministerium geprüft. Auch die Ausfuhr geschützter Tierarten muss genehmigt werden. In Österreich kommt das regelmäßig bei bestimmten Falkenarten vor. „Durch die heimische Falknertradition sind Vögel aus österreichischer Zucht im Nahen Osten gefragt, wo die Vögel nicht nur zur Jagd, sondern auch als Prestigeobjekte gehalten werden“, weiß Rose. „Das sind natürlich keine Wildentnahmen, aber es muss der Nachweis erbracht werden, dass sie aus einem Zuchtbetrieb stammen.“

Kroko-Stiefel. Vom Zoll aufgegriffene Produkte werden an das Naturhistorische Museum in Wien übergeben. Finanzminister Magnus Brunner und NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland mit Fundstücken der Zollbeamten. © BMF/Wenzel

Zwar ist es durchaus möglich, dass geschützte Arten auch wieder von der Liste entfernt werden, wenn sich die Population erholt, sehr viel häufiger sind aber Neuaufnahmen. Martin Rose betrachtet die internationale Entwicklung: Es werden immer mehr Arten gelistet, weil die Situation für viele Arten weltweit schlimmer wird. Zudem werden die Bestimmungen immer präziser, wenn der Interpretationsspielraum zu viele Schlupflöcher ermöglicht.“ Nicht alle Länder zeigen den gleichen Einsatz, doch in den EU-Mitgliedstaaten besteht generell ein hohes Maß an Zustimmung, wie auch eine enge Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Artenschutzabkommens. „Österreich ist sehr engagiert, auch wenn wir aufgrund unserer Größe nicht die Möglichkeit haben, in jeder Arbeitsgruppe dabei zu sein“, betont Martin Rose: „Wir konzentrieren uns auf gewisse Schwerpunktthemen, die uns besonders betreffen.“